Moin, Ihr Guten!
Etwas verspätet, gleichwohl doppelt unterstrichen muss ich doch noch einmal auf diese interessante Fachtagung hinweisen, den der BRS Ende August in Neumünster abgehalten hat. Für mich war es die erste größere Vortragsveranstaltung "seit Corona" und zugegeben, etwas komisch war es zunächst schon. "Vorherige Anmeldung", Impfnachweis, Anmeldung vor Ort ... den Personalausweis hatte ich auch noch mitgenommen. Aber was soll's, es ging um unsere Sicherheit und als viehhaltende Agrarier sind wir es ja durchaus gewöhnt, uns mit der Hygiene, der Quarantäne und dem Gesundheitsmanagement zu beschäftigen.
Gut, man merkt schon, dass man viele Leute nun schon seit anderthalb, manche auch seit zwei oder sogar reichlich zwei Jahren nicht mehr gesehen hat. Manche Gäste haben Haare verloren, andere Gewicht gewonnen, aber alle hatten echt Lust. Und das lief gerade auch in den Pausen gut ab. Da wurde durchaus engagiert diskutiert, teilweise auch durchaus schon etwas wuchtig. Aber gerade das macht es doch schön.
Für mir war die Veranstaltung mit allen Vorträgen ein guter Rundumschlag über die Zukunft der Nutztierhaltung. Da war Ex-Bundesminister Borchert, der sich in den letzten Jahren sehr intensiv für unsere hiesige Landwirtschaft eingesetzt hat und neue Wege aufgezeigt hat. Da ist Prof. Schmitz, der die Situation und auch aktuelle Konzepte ökonomisch abklopfte und mit viel Fachwissen Lücken aufzeigte. Da war Dr. Michael Lendle vom AFC, der sich mit der Kommunikation unseres Sektors beschäftigte und interessante Perspektiven vorstellte. Und da waren zwei Praktiker, die versuchen, mit neuen Ideen und Umsetzungen am Markt zu bestehen und wirklich mutmachend wirkten.
Weitere Informationen erhaltet Ihr ein dem Text, den der BRS verfasst hat. Was mir besonders auffiel, war der Redebedarf an den Stehtischen. "Der Borchert hat auch nichts Neues erzählt", "Der Schmitz kann auch nur meckern, aber Lösungen hat er auch nicht", "der Lendle müsste mal selbst die Verantwortung haben" ... HERRLICH! Ich finde es gut, wenn schwungvoller über Vorträge diskutiert wird. Und ob nun direkt im Redesaal oder zwischen den Vorträgen beim Käffchen, das ist doch fast egal. Ich glaube, unser Sektor braucht mehr Diskussion, um alternativ bestehende Konzepte noch besser verteidigen zu können und gleichzeitig aber auch neue Wege kritisch abzuklopfen. Denn letztlich müsste es dem Sektor (öhm, wer ist das eigentlich ... DER Sektor ;-) ja vor allem darum gehen, neue Ideen in Konzepte zu gießen, die von Kritikern außerhalb des Sektors weniger stark anzugreifen sind.
Insgesamt war diese Fachtagung so etwas wie ein kleiner Startschuss. "Es gibt viel zu tun, packen wir's an" - gut, dann starten wir mal!
Und hier ist der Text des BRS:
Staatshilfe oder freier Markt – wie sieht die Zukunft der Nutztierhaltung aus?
Ergebnisse von der Fachtagung des Bundesverband Rind und Schwein am 30.08.2021 in Neumünster
Am Vortag seiner ordentlichen Mitgliederversammlung hat der Bundesverband Rind und Schwein e.V. (BRS) am 30. August 2021 nach Neumünster eingeladen. 250 Teilnehmer folgten der Einladung. Fünf Referenten waren aufgefordert, die „Möglichkeiten eines professionellen Umgangs mit steigenden Herausforderungen“ darzustellen. „Und davon gibt es reichlich“, führte der Moderator Sönke Hausschild in die Tagung ein. Neben der Diskussion über die Folgen des Klimawandels und notwendige Anpassungsstrategien, wird ein Gesellschaftsvertrag zur Sicherung der heimischen Tierhaltung gefordert, der in Rahmen einer Nutztierstrategie und einer Zukunftskommission vorbereitet wird.
Minister a.D. Jochen Borchert nutzte die Gelegenheit, um die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung vorzustellen. Der Druck auf die Tierhalter werde nicht sinken, ist Borchert überzeugt. Gleichzeitig sieht er vor allem die Politik in der Pflicht. „Wenn eine Gesellschaft mehr Tierwohl über dem gesetzlichen Standard fordere, dafür aber nicht bezahlen wolle, sei ein starker Ausbau der zielorientierten staatlichen Förderpolitik erforderlich.“ Andernfalls provoziere man einen weiteren Strukturwandel und gefährde eine regionale Versorgung. Der Wille zum Wandel sei da; die Vorbereitung sei gemacht. Jetzt gelte es, die von nahezu allen politischen Parteien und Nichtregierungsorganisationen einhellig begrüßten Änderungen in der neuen Legislaturperiode voranzutreiben und im neuen Koalitionsvertrag verbindlich zu verankern. Prof. em. Michael Schmitz, Agrarökonom an der Universität Gießen, griff den Ball auf und äußerte erhebliche Zweifel, dass eine auskömmliche finanzielle Honorierung der betrieblichen Mehrkosten und eine verbesserte Akzeptanz des Sektors in der Öffentlichkeit realisierbar seien. Seine Kritik richtete sich aber weniger gegen die Empfehlungen der Borchert-Kommission, als gegen Ergebnisse der Finanzierungsstudie und Ziele der Zukunftskommission. Er forderte eine ehrlichere Modellierung der Folgen auf Basis geeigneterer Prognosemodelle. Zudem forderte er mehr Skepsis gegenüber der Forderung, den Verbrauch und die Produktion tierischer Erzeugnisse aufgrund vermeintlicher Gesundheits-, Umwelt- und Ressourcenvorteilen. Eine transparente Abwägung von Kosten und Nutzen sowie die Berücksichtigung von Leakage- und Reboundeffekten seien dringend geboten. Als Gunstregion müsse sich Deutschland intensiver an der Welternährung beteiligen und dürfe durch Extensivierung keine Treibhausgasemissionen in Drittländer verlagern.
Warum es sich trotz der steigenden Anforderungen lohnt in mehr Tierwohl zu investieren, berichteten der Schweinehalter Jörg Struve und der Milchviehhalter Michael Petersen. Der Betrieb Struve orientierte sich dabei an den Forderungen des BMEL-Beirates, der bereits 2015 „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ skizziert hat. Herausgekommen ist ein Tierwohlstall der Haltungsstufe III, der ihm Vermarktungswege mit deutlichen Mehrerlösen ermöglichte. Aufgrund der sehr positiven Erfahrungen für Tier und Mensch möchte der Betrieb diesen Weg konsequent weitergehen. Dafür wünscht er sich Rahmenbedingungen, die Planungssicherheit und den Erhalt des Standortes garantieren. Ausschlaggebend für die Investitionen des Betriebs Petersen dagegen war eine erfolgreiche Bewerbung um Fördermittel aus dem Agrarinvestitions-Förderprogramm Schleswig – Holstein. Ohne diese Förderung wird es für Betriebe schwer, derartige Investitionen zu stemmen, zumal der volatile Milchmarkt ein hohes Risiko berge, ist der Betriebsleiter überzeugt. Finanzielle Sicherheit durch Fördermittel kann die Entscheidung zu Gunsten von mehr Tierwohl deutlich verbessern.
Dr. Michael Lendle, Geschäftsführer der AFC Consulting Group, bedankte sich bei seinen Vorrednern für die vielen „Steilvorlagen“, die die kommunikativen Herausforderungen der Branche dokumentieren. Er warb eindringlich für Änderungen bei der Branchenkommunikation, die eine bessere Vernetzung und Abstimmung erfordere. Dabei müsse nicht nur der unterschiedliche Informationsbedarf relevanter Zielgruppen berücksichtigt werden, sondern auch die darauf abgestimmten Instrumente. Am Beispiel der Tiertransporte in Drittländer machte er deutlich, dass eine Kommunikation zu kritischen Themen eine Strategie und ein Konzept braucht. Er warb eindringlich für mehr Mut, laut zu kommunizieren.
Quelle: BRS
Uwe
(cattle)